Die Lenggrieserin Andrea Ziller gründete jüngst eine Selbsthilfegruppe für Bauchspeicheldrüsenerkrankte.

Titelbild: Eine Selbsthilfegruppe für Bauchspeicheldrüsenerkrankte hat Andrea Ziller gegründet. Beim Eröffnungstreffen dabei war Hartmut Kotyrba, Regionalgruppen-Koordinator. © Patrick Staar

Vor 20 Jahren begann für die Lenggrieserin Andrea Ziller die Leidenszeit. Immer wieder litt sie unter einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse und hatte fürchterliche Schmerzen. Ab 2015 wurde es immer schlimmer. Die Ärzte standen vor einem Rätsel und fanden keine Ursache. Im April 2021 wurde ihre Bauchspeicheldrüse entfernt – und seither geht es aufwärts. Ziller beschloss, in Lenggries eine Selbsthilfegruppe für Bauchspeicheldrüsen-Patienten zu gründen, die sich regelmäßig trifft. Der Weg dorthin war lang. „Am Anfang haben mich viele Leute gefragt, wie viel ich trinke“, erinnert sich die 45-Jährige. „Wenn man an der Bauchspeicheldrüse erkrankt, wird man schnell als Alkoholiker abgestempelt. Das hat mich fürchterlich gestört, weil ich noch nie viel getrunken habe.“ Ziller suchte Rat bei Ärzten, doch niemand konnte ihr erklären, warum sie immer wieder erkrankt. Dabei will sie niemandem einen Vorwurf machen: „Ich kann wirklich nicht behaupten, dass ich schlecht betreut worden wäre.“

Ständige Angst vor Schmerzen

Ständig lebte die dreifache Mutter in der Angst, dass die Schmerzen „von Null auf 100 hochschießen“, stets musste sie fürchten, dass sie einen Notarzt rufen muss: „Es strahlt wie ein Gürtel rund um den Oberbauch aus“, sagt Andrea Ziller. „Man hat heftige Schmerzen, kann kaum schnaufen, jede Bewegung ist zu viel. Und dann kommt auch noch Übelkeit dazu. Ich habe mich gefreut, wenn der Notarzt kam und mir Schmerzmittel spritzte.“ Für ihre Familie sei die Situation alles andere als einfach, „wenn die Mama nicht so kann, wie sie gerne möchte“. Wobei ihre Kinder eine gewisse Gelassenheit entwickelt hätten, „denn sie sind ja damit groß geworden“. Die Kinder helfen ihr, wenn sie merken, dass der Blutzucker-Spiegel abfällt.

Mehr Zeit Patienten als Arzthelferin

Schmunzelnd erinnert sich die Arzthelferin an ein Erlebnis im Jahr 2017. Damals sei es ihr in der Früh „richtig schlecht gegangen“, und sie musste den Notarzt rufen. Die zu diesem Zeitpunkt fünfjährigen Zwillinge hätten dem Notarzt die Tür geöffnet: „Und sie haben ihn gefragt, ob er auch ein Müsli möchte.“ Sie hätten es hochinteressant gefunden, dass ihre Mutter mit einem Hubschrauber wegfliegen darf. In den vergangenen Jahren habe sie im Krankenhaus mehr Zeit als Patientin verbracht als Arzthelferin: „Während der Coronazeit hat mich drei Monate lang niemand besuchen dürfen, und ich habe mit der Familie nur über Skype gesprochen. Aber auch das haben wir ganz gut hingekriegt.“

2020 wurde sie schließlich das erste Mal operiert, ein Jahr später wurde das Organ komplett entfernt, auch die Hälfte des Magens ist weg. Seither sind die Schmerzen verschwunden. Dafür ist Ziller Diabetikerin, da die Bauchspeicheldrüse den Blutzuckerspiegel reguliert. Zweimal wurde Ziller seither bewusstlos, da der Blutzuckerspiegel in kürzester Zeit zu stark abgesunken ist. Ihr Mann – ein ausgebildeter Rettungssanitäter – musste ihr das notwendige Nasenspray verabreichen.

Operation war die beste Entscheidung

Seit der Operation habe sie 30 Kilogramm Körpergewicht verloren, momentan ist sie nicht erwerbsfähig. Trotzdem sei die Operation die beste Entscheidung gewesen. Im Januar dieses Jahres bekam sie eine Insulinpumpe, und seither geht es ihr viel besser: „Ein tolles System, das die Insulingabe automatisch abschaltet und mir sagt, wie viele Kohlenhydrate ich essen muss.“ Ganz einfach sei die Situation trotzdem nicht.

So leidet Ziller unter dem „Dumping-Syndrom“, sprich einer krankhaft beschleunigten Magenentleerung. Fällt sie in den Unterzucker, droht ihr die Bewusstlosigkeit. Ist der Blutzucker zu hoch, bekommt sie Kopfweh, wird müde und redet „komische Sachen“. Trotzdem sei ihr ein hoher Blutzuckerwert „fast lieber“.

Jetzt Zeit für Buch schreiben und Urlaub

Ziller hat sich einiges vorgenommen. So will sie nun erstmals seit vielen Jahren wieder in den Urlaub fahren – sicherheitshalber innerhalb von Deutschland. Zudem will sie demnächst ein Buch herausbringen, in dem sie ihre „lustigen und weniger lustigen Erlebnisse“ beschreibt.

Und sie arbeitet am Aufbau einer Selbsthilfegruppe im Rahmen des „Arbeitskreis der Pankreatektomierten“. Ziller hatte sich dies schon 2019 vorgenommen, doch dann kam erst die Operation und dann Corona dazwischen. Der Selbsthilfegruppe haben sich mittlerweile fünf Personen aus den Landkreisen Miesbach, Garmisch-Partenkirchen und Traunstein angeschlossen.

Ziller bietet auch telefonische Hilfe an: „Im Landkreis sind wir ja hervorragend aufgestellt. Die Heilbrunner Fachklinik kennt sich sehr gut mit Pankreasdiabetes aus.“ Sie profitiere „unheimlich“ von der Arbeit in der Selbsthilfegruppe, habe schon Tipps gegeben und wichtige Tipps bekommen.

Eigentlich plante sie, dass sich die Gruppe alle zwei Monate trifft. Da es aber so viel Gesprächsbedarf gibt, finden die Treffen nun einmal monatlich im Nebengebäude des Lenggrieser Pfarrheims statt. Ziller hofft, im nächsten Jahr wieder mit dem Arbeiten beginnen zu können. Entschlossen sagt sie: „Aufgeben ist keine Option. Ich kämpf’ mich da weiter durch.“

Merkur.de
Pressebericht: Erstellt am 05.07.2022, 13:30 Uhr von: Patrick Staar

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