Nachruf anlässlich des Todes von Prof. Dr. med. Friedrich Willig
… von Prof. Dr. Michael Poll
Als ich im Februar 1969 meine Medizinalassistenten-Stelle an der Medizinischen Universitätsklinik Mannheim antrat, bin ich Prof. Willig das erste Mal begegnet. Er war dort als Oberarzt tätig. Schon damals galt sein wissenschaftliches Interesse der Gastroenterologie – die als Spezialfach der Inneren Medizin noch gar nicht etabliert war – wobei er sich auf ein Organ, das Pankreas, konzentriert hatte.
Er betrieb im Untergeschoss der Klinik ein Biochemisches Labor, in dem er damals mit 2 MTA’s Funktionsuntersuchungen des Pankreas durchführte, die er z. T. selbst entwickelt und publiziert hatte, und die ihn in der Med. Fachwelt sehr bekannt gemacht hatten. Das Labor war auch in seinem weiteren Leben sein großes Steckenpferd. Am Ende meiner Medizinalassistenten-Zeit, Anfang 1970, entschied ich mich, bei ihm wissenschaftlich zu arbeiten. Er hat dann in den folgenden Jahren meine medizinische und wissenschaftliche Laufbahn nicht unwesentlich beeinflusst. Auf seine Anregung hin besuchten wir im November 1971 ein Gastrokamera-Symposion in Berlin, wo sich für mich eine ganz neue medizinische Welt erschloss, erstmalig konnte man in Körperorgane/höhlen hineinblicken, die Endoskopie hat dann meinen ganzen weiteren medizinischen Lebensweg sehr beeinflusst.
1974 verließ Prof. Willig die Mannheimer Klinik und ging nach Heidelberg, wo er zum Ärztlichen Direktor des Krankenhauses Speyererhof gewählt worden war. 1975 erhielt ich von Prof. Willig die Anfrage, ob ich nicht auf die erste Oberarztstelle an das Krankenhaus Speyererhof wechseln wollte, der ich nach einiger Überlegung zugestimmt habe. So kam ich im September 1975 an das Krankenhaus Speyererhof. Damals wurden dort die ersten Patienten behandelt, denen die Bauchspeicheldrüse komplett entfernt war- eine totale Pankreatektomie – nachdem Prof. Trede, Direktor der Chirurg. Univ.-Klinik Mannheim, begonnen hatte, 100 konsekutive totale Pankreatektomien durchzuführen. Die meisten Patienten waren an einem Pankreaskrebs erkrankt. Prof. Trede kannte Prof. Willig aus seiner Mannheimer Zeit und hatte ihn als Gastroenterologen und Pankreasexperten schätzen gelernt, sodass es nur konsequent war, dass viele der von Prof. Trede operierten Patienten zur Nachbehandlung in den Speyererhof verlegt wurden. Es waren zwar bereits früher totale Pankreatektomien durchgeführt worden, die erste von PRIESTLY 1942 an der Mayo Klinik in den USA, aber die Komplikationsrate war sehr hoch und die Überlebenszeit war nicht sehr lang. Insofern gab es auch kaum Erfahrungsberichte in der Literatur über die Behandlung von Pankreatektomierten. Diese Patienten hatten viele Probleme, ausgeprägte Verdauungsstörungen, einen Diabetes mellitus, Mangelerscheinungen und die sehr belastende Krebsdiagnose. Prof. Willig hat sich mit ungeheurem Einsatz persönlich um die Behandlung dieser Patienten gekümmert, wobei ihm der Umstand zugute kam, dass es am Krankenhaus Speyererhof eine staatl. Diätschule mit der leitd. Diätassistentin Frau Lieselotte Drescher gab, sodass viele Ernährungsprobleme der operierten Patienten mit ihr zusammen gelöst werden konnten.
Nach der Behandlung im Krankenhaus Speyererhof wurden die Patienten meistens in eine Reha-Klinik oder zum Hausarzt entlassen, kehrten aber oft nach kurzer Zeit im schlechten Zustand wieder zurück, sodass 1976 von einem Patienten Peter Christophel die Idee geboren wurde, eine Patientenselbsthilfegruppe zu gründen, da die Patienten durch die Schulung und Betreuung im Speyererhof oft besser über ihre Erkrankung informiert waren als ihre weiterbehandelnden Ärzte.
Prof. Willig hat die Gründung einer Selbsthilfegruppe von Anfang an unterstützt, und so kam es am 25. 09. 1976 zur Gründung des AdP in Heidelberg im Gasthaus Backmulde. Bei der Gründungsversammlung waren 6 Patienten, 3 Ärzte und eine Diätassistentin anwesend. Der Leitspruch war und er ist es bis heute geblieben: „Hilfe durch Selbsthilfe“, d. h. die Patienten sollten ihre Erfahrungen primär untereinander austauschen. In den folgenden Jahren gab es viele Informationsveranstaltungen, anfangs immer im Krankenhaus Speyererhof, danach überall in Deutschland, aus den Informationstreffen wurden bald Bundestreffen. Es wurden Regionalgruppen gegründet, die von betroffenen Patienten geleitet wurden. Aus den anfänglichen 10 Gründungsmitgliedern sind heute ca 1.600 Mitglieder mit bundesweit über 50 Regionalgruppen geworden und mit einer Bundesgeschäftsstelle im Haus der Krebs-Selbsthilfe in Bonn. Der AdP ist inzwischen ein Ansprechpartner für alle Pankreaserkrankten. Die wichtigsten Organisationsstrukturen, die der AdP noch heute hat, sind von Prof. Willig bereits in der Anfangsphase entwickelt worden, Vorbilder gab es noch nicht, da es 1976 kaum Selbsthilfegruppen gab. Prof. Willig gründete von Anfang an einen Wiss. Beirat, in dem kompetente Mediziner, Diätassistenten und Psychologen die operierten Patienten beraten konnten. Er hat den Wiss. Beirat bis zum Jahr 2006 geleitet, ich wurde dann als sein Nachfolger gewählt und habe dieses Amt bis Ende des letzten Jahres inne gehabt.
So lange er konnte, hat Fritz Willig die Entwicklung seines AdP kritisch verfolgt und begleitet.
Leider war es ihm in den letzten Jahren nicht mehr möglich, zu den Sitzungen des WB und zu den Bundestreffen zukommen. Ich habe aber versucht, ihn telefonisch auf dem Laufenden gehalten.
Anlässlich des 20. Geburtstags des AdP im Jahr 1996 hat Prof. Willig einmal Rückschau gehalten und geschrieben:
„Jeder von uns kennt Wege im Leben, die zu gehen man sich nicht aktiv entschieden hat. Man ist einfach mitgegangen, weil man sich anfangs nicht dagegen gewehrt hat. Man glaubt die damit verbundenen Belastungen nebenbei erledigen zu können. Plötzlich entdeckt man, dass es so nicht geht. Dann muss man sich entscheiden, ob man mit ganzem Herzen und Aufwand von Zeit eine Aufgabe übernehmen will. So ähnlich ist es mir mit dem AdP und dem Wiss. Beirat ergangen“.
Prof. Niedergethmann, Essen, Mitglied des Wiss. Beirats, hat mir anlässlich des Todes von Prof. Willig geschrieben:
„Prof. Willig war ein Vorreiter in der Pankreatologie und ein Fürsprecher der Patienten. Er hat in seiner freundlichen und engagierten Art die Interessen des AdP in die Öffentlichkeit gebracht und bestens vertreten, dafür danken wir ihm.“ Diesem Dank können sich der AdP-Vorstand und der Wiss. Beirat und alle AdP-Mitglieder nur anschließen. Wir werden seine Stimme und ich einen Freund vermissen, wir werden ihn in dankbarer Erinnerung behalten und versuchen, in seinem Sinne den AdP weiter zu führen und zu gestalten.
Schließen möchte ich mit einem Ausspruch von Prof. Helmut Friess, München, der als mein Nachfolger den Vorsitz des Wiss. Beirats übernommen hat:
Er war ein großer Internist mit einem großen Herzen für das Pankreas.