Pankreaskrebs: Essener berichtet über Schock und Hoffnung
Bauchspeicheldrüsenkrebs, inoperabel – die Diagnose war ein Schock für Peter Schulich.
Sein Arzt berichtet, wie der Essener doch geheilt wurde.
Christina Wandt am 15.11.2022 | ESSEN.
Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist für alle Betroffenen ein Schock, sagt Prof. Marco Niedergethmann, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Essener Alfried-Krupp Krankenhaus. Eine operative Entfernung des Tumors ist die einzige Heilungsmöglichkeit bei Pankreaskrebs – und nur in der Hälfte der Fälle möglich. Zum Welt-Pankreaskrebs-Tag am 17. November möchte der Mediziner „einen Fall vorstellen, der anderen Patienten Hoffnung macht“.
Der Fall ist Peter Schulich (66) aus Schonnebeck, der im vergangenen Jahr plötzlich unter Rückenschmerzen litt und sich zunächst nichts dabei dachte. „Im September 2021 bin ich zum ersten Mal zum Hausarzt gegangen, und der hat mir eine Spritze gegeben.“ Doch bald gesellten sich weitere Symptome hinzu: Der Rentner spürte ein Ziehen im Unterbauch, verlor an Gewicht, hatte keinen Appetit mehr. „Alles typische Symptome für Pankreaskrebs – und jedes einzelne Anlass für einen Arztbesuch“, betont Niedergethmann.
Denn anders als etwa für Darm- oder Brustkrebs gebe es für Bauchspeicheldrüsenkrebs keine Vorsorgeuntersuchung, auch keinen warnenden PSA-Wert wie beim Prostatakrebs. „Der Krebs kommt einfach.“ Wer neben den bereits genannten Symptomen überraschend Diabetiker werde, dunklen Urin habe oder einen hellen Stuhl, „sollte unbedingt hellhörig werden“.
Viele Patienten nehmen die ersten Anzeichen für den Pankreaskrebs nicht wahr
Leider nähmen die Patienten einige der Anzeichen für die tückische Krebsartoft nicht wahr, weil diese auch anders zu erklären seien oder sich schleichend entwickeln. Das gelte etwa für die Gelbsucht, die viele Betroffene bekommen. „Oft fragen erst Verwandte den Patienten, warum er so gebräunt ist oder die Augen gelblich gefärbt sind“, sagt Niedergethmann. Bei Schulich war es eine Medizinerin in seiner Hausarztpraxis. Sie machte eine Blutuntersuchung und überwies den Rentner ins Krupp-Krankenhaus in Steele.
Dort wurde er Anfang Februar 2022 stationär aufgenommen und erhielt er die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Leider war der etwa vier Zentimeter große Tumor nicht operabel“, erklärt Niedergethmann. Er konnte seinem Patienten nur eine sehr intensive Chemotherapie mit ungewissem Ausgang empfehlen. „Klar war das erstmal ein Schock“, erinnert sich Schulich, der dann ziemlich nüchtern abwog. „Verloren hatte ich ja schon, da konnte ich durch die Chemo ja nur gewinnen – hopp oder top.“
Für die Tortur der Chemotherapie belohnt
Von März bis August 2022 dauerte die Chemotherapie und irgendwann verlor sogar Peter Schulich seinen Gleichmut: „Da hatte ich die Schnauze voll.“ Die Behandlung sei belastend, gehe mit schweren Nebenwirkungen einher, bestätigt sein Arzt. Doch die Tortur wurde – wie übrigens bei mehr als der Hälfte der Fälle – belohnt: Am Ende war der Tumor nur noch 5 mm groß und konnte am 22. September doch noch operativ entfernt werden. Schon am 1. Oktober wurde Peter Schulich entlassen.
Seither hat er weiter an Gewicht verloren, wiegt nun nur noch 51, 52 Kilogramm – es waren mal 68. Das sei normal, sagt Niedergethmann: „In den ersten drei Monaten nach dem Eingriff nimmt man noch ab.“ In der vier- bis sechsstündigen Operation entferne man ja nicht nur den Tumor und einen Teil der Bauchspeicheldrüse, sondern müsse den Verdauungstrakt anschließend auch umbauen.
Der Patient müsse sich anfangs schonend ernähren und dauerhaft Enzyme zu sich nehmen, um Eiweiße aufnehmen zu können. Ist die gesamte Bauchspeicheldrüse entfernt worden, „haben die Patienten automatisch Diabetes“. In jedem Fall habe der komplexe Eingriff großen Einfluss auf den Stoffwechsel, darum schulen Diabetesassistentin und Ernährungsberaterin die Betroffenen vor der Entlassung. Zweimal im Jahr bietet das Krupp-Krankenhaus ein Patientenseminar an. Prof. Niedergethmann, der sich seit 25 Jahren in der Selbsthilfe engagiert, empfiehlt außerdem jedem Patienten und jeder Patientin, Kontakt zum Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V. (ADP) aufzunehmen, der wertvolle Begleitung biete.
Nun soll das Rückfallrisiko minimiert werden
Peter Schulich fühlt sich heute wieder gut, hat nur noch ein gelegentliches Stechen. „Nach der OP war ich schlapp, konnte mich kaum hinsetzen. Da zieht es überall, die Narbe schmerzt.“ Obwohl auch die Umgebung der Bauchspeicheldrüse nach dem Eingriff tumorfrei ist, wird er erst nach dem abschließenden Gespräch mit den Onkologen Anfang Dezember ganz sicher Bescheid wissen. Beendet ist seine Behandlung dann noch nicht: „Um das Rückfallrisiko zu minimieren, geben wir noch eine unterstützende Chemo“, sagt Niedergethmann. Nur eine Reha möchte Peter Schulich nicht mehr machen: „Da bin ich ja nur unter Kranken.“
Westdeutsche Allgemeine Zeitung am 15.11.2022