Dr. Antje Müller im Klinikum Bremen Mitte

Umgang mit Angst bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Psychologin Dr. Antje Müller von der „Bremer Krebsgesellschaft“ zu Besuch bei der Bremer AdP-Gruppe

Nicht viele trauten sich zur Teilnahme an der Veranstaltung der Bremer AdP-Gruppe, am 27.06.2022, im Klinikum Bremen Mitte. Auf dem Plan stand das schwierige Thema „Umgang mit Angst bei Bauchspeicheldrüsenkrebs“. Dieser Bericht soll denjenigen, die sich lieber alleine über das Thema informieren möchten, die Möglichkeit bieten, die Inhalte des Vortrages von Psychologin Dr. Antje Müller, auf sich wirken zu lassen. Oberarzt Dr. Holger Kespohl, aus der Chirurgie des Klinikums Bremen Mitte, war ebenfalls anwesend, und nahm am Austausch teil. Er informierte darüber, wie Ärzte vor und nach Operationen mit den Ängsten der Patienten umgehen.

„Angst bei Krebs ist normal.“

Dr. Antje Müller berät seit acht Jahren in der „Bremer Krebsgesellschaft“ Krebskranke und ihre Angehörigen. Ihren Vortrag begann Dr. Müller mit der Aussage: „Angst bei Krebs ist normal.“ Bei alten Patienten sei die Angst manchmal etwas geringer, als bei jungen Patienten, da sie sich schon eher mit dem Lebensende beschäftigt hätten.
Im Folgenden werden die Aussagen der Referentin wiedergegeben: Die Angst sichert grundsätzlich unser Überleben, weil sie uns auf Gefahren hinweist, und andere Dinge, wie zum Beispiel die Verdauung, zurückdrängt. Angst ist deshalb in gefährlichen Situationen zunächst eine logische Reaktion und nicht irrational. Für die Emotion der Angst muss unser Körper aber sehr viel Energie zur Verfügung stellen. Nach einer Operation ist unser Gedächtnis deshalb bei vielen, nicht nur wegen den Folgen der Operation und der Narkose, schwächer, sondern auch, weil wir nach einer Diagnose Angst haben. In der Regel betrachten wir unsere Situation in diesem Angstzustand erst einmal mit einem Tunnelblick.
Nach einer Krebsdiagnose erleben die meisten Patienten das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Hat die Patientin oder der Patient eine enge Bezugsperson, wird dieser Kontrollverlust nicht so intensiv erlebt.

„Die Angst holt uns nachts ein.“

Das Problem ist nicht, dass wir über unserer Diagnose nachdenken, sondern, dass wir zu viel darüber nachdenken, dass wir Krebs haben. Selbst wenn wir nach außen hin unseren Alltag meistern, und die Angst tagsüber nicht zulassen, so holt uns die Angst doch nachts ein. Sie verursacht einen schnellen Herzschlag, einen zu hohen Blutdruck und auch auf unsere Haut und Verdauung kann sich die Angst negativ auswirken. Verharren wir über einen langen Zeitraum in dieser Angst, kann eine Depression entstehen. Richtig anstrengend wird es, wenn eine Angst vor der Angst entsteht. Die Angst selbst wird dann als beängstigend erfahren.

Sich tagsüber für die Ängste Zeit nehmen

Eine Krebsdiagnose zieht Nachuntersuchungen mit sich, und vor jedem neuen Untersuchungstermin steigt das Stresslevel. Ist der Tumor größer geworden? Hat der Krebs gestreut? Haben sich Metastasen gebildet? Wer wegen seiner Ängste nachts nicht schlafen kann, hat nur eine Chance: Er oder sie muss sich tagsüber für die Ängste Zeit nehmen. Einigen reicht es, sich gedanklich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen. Vielen hilft es, sich die Ängste aufzuschreiben, und einige legen die aufgeschriebenen Ängste symbolisch in einem Kästchen ab. Kommen die Ängste nachts erneut, kann man ihnen sagen, dass man sich am nächsten Tag wieder um sie kümmern wird, und sollte es dann auch allerdings tun.

„Mit dem Krebs möglichst gut leben“

Was kann man noch tun, wenn man in einem Angstzustand selbst keine Lösung der Probleme finden kann? Dr. Müller erinnerte wieder daran: Angst bei Krebs ist normal, und das gilt es, erst einmal zu akzeptieren. Wir haben Angst vor den Therapien, wie Chemotherapie oder Bestrahlung, wir haben Angst vor Schmerzen und vor einem möglichen, baldigen Tod. Da viele Menschen viele Jahre und auch Jahrzehnte mit Krebs leben, lohnt es sich, aus dieser Angst wieder herauszukommen, um mit dem Krebs möglichst gut zu leben.

Strategien für den Umgang mit der Angst

Eine Strategie, um mit dem Krebs umzugehen, ist für viele, sich Wissen über die Krankheit anzueignen. Den meisten hilft ein Austausch mit Menschen, die eine ähnliche oder gleiche Krebserkrankung haben. Deshalb sind unsere AdP-Selbsthilfegruppen so wichtig. Vorsicht geboten ist bei Internetrecherchen, weil viele Informationen zu Bauchspeicheldrüsenkrebs, die im Internet stehen, einseitig pessimistisch und veraltet sind.
Zur Bremer Krebsgesellschaft kommen häufig Menschen, die unter Panikattacken leiden. Ihnen kann es helfen, ein Lied zu singen und jemandem, oder sich selbst, ein Buch laut vorzulesen. Eine weitere Strategie, um mit der Angst umzugehen, ist es zu lernen, bewusst zu atmen, und vor allem langsam auszuatmen. Als besonders hilfreich gilt das häufige Ausatmen beim Spazierengehen. Ein längerer Spaziergang am Morgen hilft besonders gut gegen Angstzustände und Depressionen, weil er den Stoffwechsel anregt, man mit der Natur, der Luft und dem Wetter in Berührung gekommen ist, die Bewegung gut für die Psyche ist und man am Tag schon etwas getan hat, anstatt im Bett oder auf dem Sessel zu bleiben. Am effektivsten ist es, wenn Patienten sich angewöhnen können, einen solchen Spaziergang täglich zu unternehmen.
Doch nicht alle Krebskranken sind zu langen Spaziergängen in der Lage. Die bewusste Entspannung, als weitere Strategie, ist für alle Kranken gut. In Stresssituationen sehnt sich unser Körper nach Ruhe, und die kann man ihm einfach gönnen, indem man Musik hört, ein gutes Buch liest oder eine gute Mahlzeit einnimmt. Für wen es aber schwer ist, sich zu entspannen, weil er schon zu lange in der Angst lebt, der kann Entspannungsmethoden wie Autogenes Training, Meditation, Yoga, Progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitsübungen, Tai-Chi oder Chi Gong, erlernen. Viele Krankenkassen bieten hierzu Kurse an.
Eine weitere, bewährte Methode besteht darin, die sich auftürmenden Probleme in kleine Häppchen zu teilen. Dabei helfen kann den Patienten ein Gespräch bei der Bremer Krebsgesellschaft oder in einer Psychotherapie.

Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten

Dr. Kespohl wies als Chirurg darauf hin, wie schwer und gleichzeitig wichtig es ist, nach einer Operation als Arzt die richtigen Worte für den Patienten zu finden. Er machte deutlich, dass es den Ärzten im Klinikum Bremen Mitte wichtig ist, die Patienten nach ihrer Operation mit ihren Ängsten nicht allein zu lassen. Die Patienten wollten nach einer Operation eine möglichst gute Lebensqualität. Sie wollten ohne Schmerzen und selbstbestimmt leben. Zu erkennen und zu akzeptieren, dass dies nicht immer möglich ist, sei ein Prozess bei den Patienten. Dr. Kespohl sprach von seiner Erfahrung, dass die Patienten die Wahrheit über ihre Krankheit hören wollten. Die Anwesenden erklärten, dass sie als Patienten zwar eine ehrliche Einschätzung von Ärzten wünschten, aber, dass ihnen immer, auch bei sehr schlechten Prognosen, wichtig sei, dass die Ärzte ihnen mögliche Therapien aufzeigten. Der Eindruck bei einem Patienten, „von den Ärzten aufgegeben worden zu sein“, sollte unbedingt vermieden werden. Rosa Jiménez-Claussen, Regionalleiterin der Bremer AdP-Gruppe, wies auf die Maly-Meditation hin. Diese Meditationsform wurde von Wolfgang Maly, speziell für Bauchspeicheldrüsenkranke, entwickelt.

Die natürlichen Schutzmechanismen

Dr. Müller erinnerte an die natürlichen Schutzmechanismen, über die wir Menschen verfügen. Bei einer Krebsdiagnose wird der Schock häufig zunächst dadurch abgemildert, dass die Patienten denken, sie träumen oder die ganze Situation erscheint ihnen nicht real, sondern wie in einer Filmszene. Die Tragweite der Diagnose und Krankheit können die meisten Menschen nur langsam und Stück für Stück aufnehmen und verstehen. So wird uns schon, durch unsere menschliche Natur, eine Strategie für den Umgang mit der Angst mitgegeben.
Wir danken Frau Dr. Müller für Ihren Besuch und ihren informativen und interaktiven Vortrag.

Die Bremer Krebsgesellschaft

Die Bremer Krebsgesellschaft bietet psychologische und soziale Beratung für Krebskranke und Angehörige an, auch für Kinder und Jugendliche. Es gibt Freizeitangebote für Krebskranke, wie ein Gedächtnistraining und eine Jogging-Gruppe.
Zu erreichen ist die Bremer Krebsgesellschaft unter Tel. 0421 491-92-22 und per mail unter: info@bremerkrebsgesellschaft.de
In Bremen-Vegesack gibt es von der Bremer Krebsgesellschaft eine Dependance.

Rosa Maria Jiménez-Claussen
Regionalleiterin des AdP Bremen, Bremerhaven und umzu

Dr. Antje Müller hielt einen interaktiven Vortrag zum Thema
„Umgang mit Angst bei Bauchspeicheldrüsenkrebs“

Gesamten Bericht als PDF Download

 

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