Bericht zum 55. Bundestreffen des AdP e.V. in München
Ganzheitlich und zukunftsorientiert
von Anja Strecker-Seebo
Anlässlich des 55. AdP-Bundestreffen lud der Vorstand des AdP e.V. (AdP) sowie der Wissenschaftliche Beirat, das LMU-Klinikum, das Klinikum rechts der Isar und die Technische Universität München (MRI / TUM) vom 03.05. bis 05.05.2024 seine Mitglieder, Angehörige, Referenten und Unterstützer in die „Weltstadt mit Herz“. „München ist immer eine Reise wert“ – bereits die vorangegangene Einladung versprach ein äußerst interessantes Rahmenprogramm bestehend aus Fachvorträgen, Gesprächsrunden und Zeit für Austausch. Das Maritim-Hotel bot hierfür den geeigneten Rahmen, nicht zuletzt auch durch seine zentrale Lage für den kulturellen Ausklang im „Bayrischen Hof“. Wie gewohnt fand das Bundestreffen mit der Mitgliederversammlung am Freitagnachmittag
seine Eröffnung. Vorstandsvorsitzender Lutz Otto begrüßte rund 60 stimmberechtigte Teilnehmende und ehrte zu Beginn langjährige AdP-Mitglieder und Wegbestreiter. Hartmut Kotyrba, seit 1987 Mitglied des AdP, Beisitzer, Koordinator Süd und Vorsitzender des Handbuchausschusses, erhielt die goldene Ehrennadel und ist fortan AdP-Ehrenmitglied. Prof. Dr. med. Marco Niedergethmann, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates sowie Begutachter im Handbuchausschuss, wurde trotz Abwesenheit mit der silbernen Ehrennadel ausgezeichnet. Ebenfalls konnte Lutz Otto in diesem Jahr ausgezeichnet werden. Die Kollegen des Vorstandes überraschten ihn mit der Übergabe der silbernen Ehrennadel für sein 15-jähriges Engagement. Im nun folgenden Bericht des Vorstandes wurden
die Geschäftsjahre 2022/2023 ausgewertet. Erfreulich ist nach wie vor, dass der AdP weiterhin eine stabile Mitgliederzahl von ca. 1.500 Mitgliedern verzeichnen kann. Hieraus ist erkennbar, welchen Stellenwert der AdP bei den Betroffenen in den rund 60 Regionalgruppen einnimmt. Herr Otto vermittelte den Mitgliedern einen Eindruck der unterschiedlichen Aktivitäten und Bestrebungen des AdP, so gab es beispielsweise Weiterbildungen für Regionalgruppenleiter und -leiterinnen, eine neue Website zum Weltpankreaskrebstag wurde veröffentlicht, der neu gegründete Diabetes-Ausschuss nahm seine Tätigkeit auf und das erste Angehörigen-Treffen in Heidelberg konnte durchgeführt werden. Matthias Seebo (Beisitzer im Vorstand und Vorsitzender des Internetausschusses) erläuterte den aktuellen Entwicklungsstand zu der AdP-App und verwies zudem auf notwendige strukturelle Anpassungen der heutigen Homepage. Für die Kompatibilität beider Systeme wird im Jahresverlauf 2024 eine einheitliche Datenbasis gemäß heutigem Standard hergestellt. In der Überleitung zum Kassenbericht bedankte sich Lutz Otto für die großzügige finanzielle Unterstützung der Deutschen Krebshilfe (DKH) und den beteiligten Krankenkassen. Alle Inhalte, Maßnahmen und Angebote des AdP für Betroffene und Angehörige sind nur durch diese Unterstützung möglich. Nach der Wahl des neuen Vorstandes schloss der erste Tag mit einem gemeinsamen Abendessen.
Lutz Otto und Prof. Dr. med. Helmut Friess (TU München) eröffneten die Hauptveranstaltung am zeitigen Samstagmorgen. Prof. Friess warb bei allen Teilnehmern zum gegenseitigen Austausch. Er
betonte, dieser Austausch ist ein wichtiger Bestandteil im Konzept der Hilfe durch Selbsthilfe. Auch die Teilnahme von Klaus Holetschek, dem Staatsminister Gesundheit und Pflege a.D., Vors. d.
CSU-Landtagsfraktion, sehe er als Zeichen der Bedeutung und Relevanz für die Selbsthilfegruppen. Und dies bestätigte Herr Holetschek gleichermaßen. Die Selbsthilfegruppen werden als wichtige Säulen im Gesundheitssystem angesehen und fördern den Austausch der Betroffenen, Ärzte und Angehörigen. Im Zeitalter von KI, Digitalisierung und Zukunftsentwicklungen in der Medizin, stünde dennoch der Mensch im Vordergrund und seine persönlichen Erfahrungen sind von großer Bedeutung. Der Fachkräftemangel bei Ärzten und in der Pflege stelle das System vor enorm große Herausforderungen, so Holetschek. Es müssen gemeinsame Wege gefunden werden, die den einzelnen Patienten weiterbringen. Dem schloss sich Prof. Dr. med. Roland Schmid (TU München) an. Er sehe diese Veranstaltung als Tagung für die Betroffenen. Im Vortragsverlauf werden neue Therapieformen vorgestellt, darüber müssen sich Betroffene austauschen und dies in die Regionalgruppen weitertragen. Prof. Dr. med. Jens Werner (LMU München) ist schon lange Zeit eng mit dem AdP verbunden und seither von der Leistung des AdP begeistert. Behandelt zu werden und Behandler zu sein ist ein Unterschied. Die Ärzte profitieren sehr von den Kenntnissen und Erfahrungen der Selbsthilfegruppen. Prof. Friess fasst zusammen: Fragen und Austausch ist wichtig: Die Experten müssen verstehen was die Betroffenen bewegt und welche Bedürfnisse sie haben. Nur dann können sie sich auch weiter entwickeln.
Herr Dr. med. Simon Sirtl (LMU München) eröffnete mit dem Thema „Welche Rolle spielen die Gene bei Pankreaserkrankungen“ die Vortragsreihe. Ist bei einer erstmalig auftretenden Entzündung die
Genetik noch nicht unmittelbar im Fokus, so sollte jedoch im Wiederholungsfall der Blick zielgerichtet auf die Genetik gelenkt werden. Je mehr Unklarheiten über die Entzündung vorliegen, umso
mehr könne die Genetik einen Anhaltspunkt als Auslöser von Beschwerden darstellen. Ziel sollte dann sein, den Werdegang von einer akuten Pankreatitis hin zu einer chronischen Pankreatitis
zu unterbrechen. So gibt es Betroffene, bei denen es durch eine genetische Veranlagung Beeinträchtigungen in der Funktion der Bauchspeicheldrüse kommen kann.
Herr Dr. Sirtl stellte verschiedene Genmutationen und deren Risiko dar. Genetische Testungen erfordern Aufklärung, Einwilligung und vorangestellt humangenetische Expertise. Seine Empfehlung galt hier insbesondere den Pankreaszentren, deren Überlebensraten sich Ernstfall enorm besser darstellen als die von Kliniken, die nicht spezialisiert sind.
Der zweite Vortrag widmete sich dem Thema „Zystische Pankreastumore“. Zysten sind im Allgemeinen bei Pankreaserkrankungen Zufallsbefunde, Frau Dr. med. Elisabetta Goni und Dr. med. Bernhard Renz (beide LMU München) stellen an dieser Stelle die Gretchenfrage: ist die Zyste von muzinöser oder seröser Art? Die Behandlungsmethoden hängen von der Morphologie der Zyste ab. Deren Größe, das Wachstum oder die Raumanforderung gibt die weitere Behandlungsstrategie vor. Demnach entscheidet sich, an welcher Stelle wirklich ein operativer Eingriff von Nöten ist oder ob – durch
zeitige Identifizierung – eine alternative Behandlungsmethode vorbeugend zum Tragen kommen kann.
„Wer und Wie? – Früherkennung von Pankreaserkrankungen“ – diesen Fragen stellte sich PD Dr. med. Veit Philip (TU München). Die Bauchspeicheldrüse ist in der Organstruktur komplex eingebunden und somit aufgrund ihrer anatomischen Lage schwer einsehbar. Trotzdem gibt es eine Reihe bildgebender Untersuchungsmethoden. Dr. Veith erläuterte die verschiedenen Verfahren zur Visualisierung, wie beispielsweise den endoskopischen und transabdominellen Ultraschall, die Kernspintomographie, Computertomographie sowie die Endosonographie. Letztere sei hier die beste
Untersuchungsmethode bei chronischer Pankreatitis. Auch Zysten können so entdeckt werden. In diesem Zusammenhand nannte Dr.Veith klassische Beschwerden, die im Zusammenhang mit der Bauchspeicheldrüse auftreten können, z.B. Verdauungsbeschwerden, Fettstuhl, Gewichtsabnahme und dies ggf. in Verbindung mit familiärer Vorbelastung. Es gibt keine reguläre Vorsorge bei der
Bauchspeicheldrüse, jedoch sollten neu auftretende Rücken- und Oberbauchschmerzen ernst genommen und kontrolliert werden.
Ebenfalls ein bedeutendes Thema stellt „Diabetes mellitus“ dar. Prof. Dr. med. Nils Ewald (JWK Minden) versuchte mit seinem Vortrag einen Blick in die Zukunft zu wagen. Jedoch ist dies nach wie vor nicht so einfach. Diabetes mellitus erfordere nach wie vor insgesamt viel mehr Aufmerksamkeit und in puncto Weiterentwicklung für Leitlinien und Standards beziehe man sich noch immer lediglich auf Expertenmeinungen. Nach wie vor ist das Insulin der Goldstandard, jede Therapie ist individuell und jeder Betroffene verfolgt individuelle Therapieziele. Mit so genannten Mischinsulinen könne hier eine bedarfsgerechte Wirkung erzielt werden, beispielsweise schnell oder verzögernd wirkende Insuline. Relativ neu sind Basisinsuline für die wöchentliche Einmal-Anwendung. Fraglich ist hier nur: läuft das Leben im Wochenzyklus? Eine Frage, die jeder Mensch wohl mit einem Nein beantworten würde. Der Wunschgedanke ist die vollautomatische Steuerung des Insulinspiegels, eine Kopplung von Messgerät – Pumpe – intelligenten Mechanismen zur Steuerung der Basisrate unter Einbezug der Mahlzeitendaten. Es wird zwar fortwährend entwickelt im
Zusammenspiel mit dem Arzt müssen Lebensziele für den einzelnen Betroffenen festgelegt werden. Es gilt: Vernunft muss bleiben, der Algorithmus allein reicht nicht aus.
Wo steht die Forschung? Hierzu berichtete Prof. Dr. med. Maximilian Reichert (TU München). Die Fragen zu zielgerichteten Therapien oder Krebsimpfstoffen treiben eine aufregende Entwicklung an. Unter Anwendung einer Krebsimpfung wird unter anderem ein individueller Impfcocktail für den Betroffenen hergestellt. Die persönliche Tumorprobe wird im Labor auf die RNA analysiert und auf dieser Grundlage kann der passende Impfcocktail hergestellt werden. Weiterhin arbeiten die Wissenschaftler mit Hochdruck daran, die Architektur von Krebszellen weiter zu entschlüsseln. Das Organoidmodell zeigt Stammzellen oder Tumorzellen in dreidimensionalen Strukturen. Tumorerkrankungen können so im Labor nachgebildet und erforscht werden. Ergebnisse sind zu validieren, sogenannte Entdeckungsplattformen dokumentieren, bündeln, geben Transparenz. Das Verständnis für Resistenzmechanismen wächst an und erleichtert den Weg für neue Medikamente. Spannend und hoffnunggebend, in Zukunft Betroffenen Lösungswege in der Tumorbekämpfung aufzeigen zu können. Das ominöse Zusammenspiel zwischen Pankreas und Gehirn versucht Prof. Dr. med. Ekin Demir (TU
München) in seinem Vortrag „Pankreasschmerzen: Wie entstehen sie und wie behandeln?“ dem Publikum näher zu bringen. Wie verhalten sich Nerven, die von Entzündungsquellen umgeben sind? Welche Entzündungsquellen gibt es, was ist Nerven-Remodelling? Der Mensch verändert sich bei Schmerzen, das hat direkten Einfluss auf das Wohlbefinden und den Heilungsprozess. Die WHO empfiehlt bei Schmerztherapien Stufenprogramme als Kombination von Medikamenten in möglichst geringen Dosen. Ändern sich dadurch Botenstoffe der Nervenzellen, können Schmerzen minimiert oder blockiert werden. Und dies führt zu Wohlbefinden, mehr Lebensqualität und beeinflusst den Betroffenen auf positive Weise. Gemäß dem eingangs getätigten Aufrufes der Referenten zum persönlichen Austausch, wurden anschließend an die Fachvorträge die Gesprächsgruppen für den Erfahrungsaustausch vorgestellt. Zur Auswahl standen 6 Räume, in denen sich Interessierte jeweils an einem Thema
beteiligen konnten: Chirurgie, Endoskopie, Rehabilitation, Krankheitsbewältigung, Austausch unter Angehörigen und Ernährung. Die Moderationen in den jeweiligen Gruppen übernahmen Mitglieder des Vorstandes sowie die anwesenden Fachexperten. Im späteren Rückblick auf die Gesprächsgruppen stellte man schnell fest: Die veranschlagten 60 Minuten Gesprächszeit waren viel zu kurz. Der Wunsch nach Austausch ist vorhanden und muss Raum und Zeit finden. Die Themen der Gesprächsgruppen sind eine Blaupause der Fragen aller Betroffenen im AdP, gesammelt aus den Regionalgruppen und aus dem Kreis der Angehörigen. Die ganzheitliche Betrachtung der Betroffenen mit ihren Ängsten, Nöten, Unsicherheiten im Zuge der Klinikwahl, der Behandlungen im Detail, der passenden
Rehabilitationsmaßnahmen, dem großen Thema Ernährung und Vitaminen aber auch den ganz persönlichen Erfahrungen individuelle Ziele auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen, war als Fazit
wiederkehrend. All das stärkt das Konzept „Hilfe durch Selbsthilfe“ und gibt den Ärzten und Experten fortwährend Input, der die eigenen Wirkungsfelder bereichert.
Der Schirmherr des AdP, Prof. em. Dr. med. Dietrich Grönemeyer (UWH), knüpfte mit seinem Vortrag an das vorherrschende Meinungsbild an. Er warb für das Zusammenspiel der unterschiedlichen
medizinischen Disziplinen auf Augenhöhe, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Medizin sei weitaus mehr als der Doktor, die Praxis oder ein Krankenhaus. Die Zusammenarbeit zur Schaffung
von Wohlbefinden und einem langen Leben – dies muss allgegenwärtig das Ziel sein. Prof. Grönemeyer sprach sich für organspezifische Kompetenzzentren aus, mit Sicht auf Healthy Living,
Prävention, Diagnose, Treatment (Behandlung) und Home Care, auf Reduktion von negativem Stress. Stressoren sind mannigfaltig, können von mentaler, psychischer, vegetativer, physischer, sozialer oder sensorischer Art sein. Ein starkes und intaktes Immunsystem hilft uns kraftvoller und entspannter zu sein. Das Herz schlägt ruhiger und die Verdauung wird optimiert. Ein guter Schlaf trägt hier ebenso bei, wie Sport und Bewegung. Der Mensch als Akteur seiner Handlung benötigt trotzdem individuelle Anhörung und Begleitung. Erst wenn wir krank werden erlangen wir das Bewusstsein über die Zerbrechlichkeit des Lebens. Liebe dich selbst, lebe im Hier und Jetzt, freue dich über die kleinen Dinge. Jeder Mensch ist einzigartig. Leben ist mehr – „Mein Herz ist mein Kompass“. Lutz Otto, Prof. Dr. med. Helmut Friess, Prof. Dr. med. Julia Mayerle, Prof. Dr. med. Roland Schmid und Prof. Dr. med. Jens Werner bedankten sich zum Ende herzlichst bei allen Teilnehmern für ihren besonderen Einsatz im AdP und richteten sich mit individuellen Grußworten und den besten Wünschen an die Zuhörer.
Für den kulturellen Höhepunkt sorgte im Abendverlauf eine Komödie im Bayrischen Hof. „Das perfekte Geheimnis“ wurde gelüftet und sorgte für heitere Momente und Klamauk. In 2 Jahren findet das nächste Bundestreffen in Magdeburg statt.
Downloads / Links zum Thema:
Veranstaltungsprogramm als PDF-Download