RGL-Treffen 2023 in Würzburg
„Kommunikation, Respekt und die moderne Wissenschaft“
Bericht zum Regionalgruppenleiter-Treffen in Würzburg vom 28.09.2023 bis 30.09.2023
Zum diesjährigen Regionalgruppenleiter-Treffen begrüßte die Stadt Würzburg die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit sehr viel Sonnenschein bei sommerlichen Temperaturen und bot somit ihrerseits die besten Voraussetzungen für die stattfindende Tagung. Das vorab versendete Programm der nun bevorstehenden 2,5 Tage ließ ebenfalls auf eine großartige Veranstaltung hoffen, zu der sich – wie gewohnt – ein Großteil der Regionalgruppenleiterinnen – und -leiter des AdP mit Vorfreude und Neugier einfanden.
Der Vorstandsvorsitzende Lutz Otto eröffnete am Donnerstag, gemeinsam mit Herrn Prof. Dr. Friess und den Kolleginnen und Kollegen des Vorstandes, das Gruppenleiter-Treffen. Im Gremium des Vorstandes gab es zwei neue Gesichter, die es persönlich vorzustellen galt – Frau Gudrun Sandler und Herr Rene Hohenhausen. Auch Frau Sonja Brumbi (neue Mitarbeiterin in der Bundesgeschäftsstelle) sowie Frau Barbara Hübenthal, die die Leitung des Onkologie-Ausschusses übernimmt, welche sie bereits bis 2018 innehatte, wurden vorgestellt. Neben einigen allgemeinen organisatorischen Themen, dem Ausblick auf die bevorstehenden Termine und Veranstaltungen sowie einem kurzen Ausblick zur angekündigten App, wurde Frau Marion Böhm, die als stellvertretende Regionalgruppenleiterin der Regionalgruppe Erfurt tätig ist, für 10 Jahre Ehrenamt mit einer Urkunde ausgezeichnet. Neben dem Dank an alle Regionalgruppenleiterinnen und -leiter für ihr hervorragendes Engagement, wurden mit großer Freude insgesamt 7 neue Regional-gruppenleiterinnen und -leiter vorgestellt. Eine wunderbare Entwicklung, die mit anhaltendem Applaus aller Anwesenden gewürdigt wurde.
Im Anschluss warben die Vorstandsmitglieder Frau Andrea Raih und Herr Matthias Seebo für die stetige Veröffentlichung von bevorstehenden Gruppentreffen oder geplanten Aktivitäten in den jeweiligen Regionalgruppen auf den Online-Plattformen des AdP bzw. auf der AdP-Website. Eine auch nach außen erkennbare aktive Gruppentätigkeit ist ein grundlegender Baustein der Vereinstätigkeit, der Unterstützern Transparenz bietet, Betroffenen und Angehörigen den Weg zum AdP vereinfacht und den Bekanntheitsgrad des AdP nach außen konsequent fördert. Den Ausklang des ersten Veranstaltungstages bildete ein reger Austausch zwischen den Regionalgruppenleiterinnen und -leitern mit dem Vorstand sowie Herrn Prof. Dr. Friess in den Tagungsräumlichkeiten und beim anschließenden Abendessen.
Den zweiten Tag eröffnete Herr Prof. Dr. rer. nat. Andreas Dinkel vom Klinikum rechts der Isar der TU München, mit seinem Vortrag „Ängste und Sorgen – Umgang mit Progredienzangst“. Herr Prof. Dr. Dinkel gab den Teilnehmerinnen und -teilnehmern im Vorfeld einen Einblick zu den unterschiedlichen Facetten von Ängsten. Bei der Progredienzangst handelt es sich um eine reale Angst. Sie ist spezifisch, direkt krankheitsbezogen und lt. Studien bei chronischen Erkrankungen am höchsten. Die Progredienzangst ist die Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung mit all ihren biopsychosozialen Konsequenzen. Sie kann einerseits motivieren, indem Betroffene z.B. eine gesündere Lebensweise einschlagen und die Ratschläge der Ärzte konsequent befolgen, sie kann jedoch auch ein übermäßiges krankhaftes Ausmaß annehmen – die Angst somit die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen. Oft kommt dann nur noch eine psychotherapeutische Unterstützung in Frage. Gute Ergebnisse können hier mit der sogenannten konfrontationsorientierten Gruppentherapie erzielt werden. Sie gliedert sich in verschiedenen Bestandeile auf, wie z.B. das persönliche Kennenlernen, das Führen eines Angsttagebuchs, die Angstkonfrontation mit Ressourcenaktivierung und der Erstellung von persönlichen Aktionsplänen im Fall der auftretenden Angstzustände. Es geht um das „Weiterdenken“. Patienten bleiben meist auf dem höchsten Punkt der Anspannung stehen. Mit entsprechender ärztlicher Unterstützung können die Patienten die aufsteigenden Ängste und Begleitumstände einfacher auf Realität und Wahrscheinlichkeit prüfen und so für sich bessere Mechanismen und Denkweisen zur Überwindung der Ängste erarbeiten, mögliche gedankliche Verzerrungen erkennen und einen besseren Fokus zur eigenen Selbstinstruktion setzen. Auch die Rolle der Angehörigen wurde erörtert. Das direkte Umfeld von Betroffenen kann ebenfalls zu Progredienzangst neigen, jüngere Menschen sogar mit stärkerem Auftreten als bei Älteren.
Im zweiten Vortragsteil widmete sich Herr Prof. Dr. Dinkel dem Thema „Kommunikation und Unterstützung in der Familie – gemeinsamer Umgang mit der Familie“. Aus den Erfahrungen der Selbsthilfegruppen eines der zentralen Themen, die Betroffene und Angehörige stets gleichermaßen umtreibt. Herr Prof. Dr. Dinkel fasste im ersten Teil des Vortrages die vorherrschenden Belastungen bei Krebserkrankungen zusammen. Diese sind vielseitig: Existenzbedrohung, Kontrollverlust, anhaltende Ungewissheit, Rollenveränderung – um nur einige Einflüsse zu nennen. Angehörige bieten den Betroffenen eine kostbare und notwendige Stütze. Sie sind im Krankheitsverlauf ebenfalls einer sehr großen Belastung ausgesetzt. Viele Angehörige sind zum Großteil auf die ad hoc eintretenden Situationen nicht vorbereitet. Der Wille zur angemessenen Unterstützung ist vorhanden, aber die Ausmaße der Situation werden im Krankheitsverlauf erst deutlich. Auch Angehörige können so schnell an ihre Grenzen geraten. Unsere Regionalgruppenleiterinnen und -leiter müssen sich all den Fragen der Angehörigen widmen, treten oft an die Stelle von fachlicher Beratung und Seelsorger. Im hiesigen Gesundheitssystem stehen die Angehörigen nicht im unmittelbaren Fokus. Auch Angehörige haben – wie auch Betroffene – unterschiedliche Bewältigungsstrategien: agieren sie problemorientiert, emotionsorientiert oder beziehungsorientiert? Wichtig ist in jedem Fall gemeinsam im Dialog zu bleiben und sich möglichst aktiv und problemorientiert zu verhalten. Es ist für Angehörige enorm wichtig sich dem Umfeld anzuvertrauen, Emotionen auszudrücken und auch positive Erfahrungen zuzulassen. Allgemein muss die Sicht auf die Angehörigen mit Wertschätzung erfolgen, sie befinden sich selbst im Spannungsfeld zwischen Hilfe gebend und Hilfe benötigend. Aktives Zuhören, gut formulierte „Ich-Botschaften“ und ein respektvolles Miteinander sind Voraussetzung für jegliche Herausforderungen in der Krankheitsbewältigung, denn der Krebs ist eine „Wir-Erkrankung“.
Herr Prof. Dr. Dinkel stand den Teilnehmenden im Tagesverlauf weiterhin zur Verfügung und beantwortete eine Vielzahl von Fragen zu Inhalten beider Referate. Dies verdeutlichte umso mehr, dass nicht nur die Betroffenen selbst Teil unserer Selbsthilfe sind, sondern auch die vielen engagierten Angehörigen.
Der Freitagnachmittag galt dem traditionell kulturellen Teil des Regionalgruppenleiter-Treffens. Der Vorstand organisierte in diesem Jahr eine „Rokokokaffeefahrt“ auf dem Main. Vorbei an kleinen Weinbergen und alten Industriewahrzeichen, legte die MS Astoria in Veitshöchheim an. Die Ausflugsteilnehmer hatten nun individuelle Zeit, im sehr schön angelegten Rokokogarten mit dem Schloss und Springbrunnen zu verweilen, das Jüdische Kulturmuseum mit Synagoge zu besuchen oder einfach in den ein oder anderen Biergarten einzukehren, ein Eis zu essen und die Sonne zu genießen.
Der Samstag, und damit letzte Tag der Tagung, wurde eröffnet von einem kurzen Exkurs in die moderne Pharmaindustrie und sogleich zur fortwährenden Forschung. Herr Dr. Frank Müller und Frau Christine Gold der Firma OncosilTM stellten eine neue Technologie zur Behandlung von Pankreastumoren vor. In dem Verfahren werden zusätzlich zur Chemotherapie endoskopisch intratumorale Injektionen mit radioaktiven Micropartikeln dem Pankreastumor zugeführt. Die lokal zugeführte Strahlendosis direkt im Tumor bewirkt unter anderem die Schrumpfung des Tumors und soll die erfolgreiche operative Entfernung zusätzlich begünstigen. Gleichzeitig können Tumormarker erheblich gesenkt werden. Diese vielversprechende Behandlungsmöglichkeit ist derzeit in der Zulassungsphase.
Den Abschluss der Tagung bildete der Vortrag von Prof. Dr. Volker Kunzmann vom Universitätsklinikum Würzburg – „Das Immunsystem als Waffe“ – Chancen der Immunonkologie beim Pankreaskarzinom. Mythen und Vorurteile des Pankreaskarzinoms – ist die Krankheit wirklich unheilbar? Gibt es wirklich keine Früherkennung, keine wirksamen Therapien? Falsch! Es gilt das Gebot der Früherkennung. Häufige Symptome wie Rückenschmerzen, Veränderung des Stuhlganges oder Diabetes mellitus Typ 3 – auch in zeitlichem Versatz zueinander – werden mit deren Eintreten oftmals im falschen Ansatz therapiert. Der dementsprechende zeitliche Versatz oftmals von Monaten bis zur Feststellung der eigentlichen Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, kann hier ausschlaggebend für eine erfolgreiche Behandlung sein. Fakt ist, die Fachdisziplinen müssen in jedem Fall zusammenarbeiten. Strahlentherapie, Onkologie, Chirurgie, Ernährung und Gastroenterologie, Radiologie sowie Nuklearmediziner und Psychoonkologie – alle Fachbereiche vereinen gemeinsam die Kompetenzen, die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten und ineinandergreifende zielgerichtete Therapien zu veranlassen. Herr Prof. Dr. Kunzmann warb für die Überprüfung jedes Patienten mittels einer Gewebeprobe, sprach sich zudem für eine Immuntherapie (Immuncheckpoint – Inhibition) aus – um auch die körpereigenen Abwehrmechanismen zu aktivieren. Auch Familienmitglieder müssen,
bei Feststellung von genetisch veränderten Zellstrukturen, bereits vorbeugend engmaschig zum Screening eingeladen werden. Nur das rechtzeitige Erkennen von Krankheitsbildern und die dementsprechend kombinierte, systematische Behandlung führe zu diagnostischem und therapeutischem Aktionismus und führe damit zur Entkräftigung der Mythen und Stärkung der Perspektiven für die Betroffenen.
Lutz Otto bedankte sich abschließend bei allen Referenten, Teilnehmerinnen und Teilnehmern für den regen Austausch, die gewinnbringenden Diskussionen und besonders für die herzliche Aufnahme der neuen
Regionalgruppenleiterinnen – und -leiter im Kreis der bestehenden Regionalgruppenleitungen. Mit der Vorausschau auf die bevorstehenden Veranstaltungen und ein baldiges Wiedersehen, nicht zuletzt mit Blick auf das kommende Regionalgruppenleiter-Treffen im Oktober 2024 in Potsdam, verabschiedete sich der Vorstand des AdP.
von Anja Strecker-Seebo, Fotos: Anja Strecker-Seebo
Bilder in der Galerie von Axel Mörer, S-Press Medien, Bonn